Discussion Paper
Die G7/G8 als Ordnungsmacht in der globalen Wirtschafts- und Finanzpolitik?
von Ralph Rotte
August 2003
http://www.ipw.rwth-aachen.de/for_paper.html
ISSN 1862-8079
1. Fragestellung
Spätestens seit der Mexiko-Krise 1995 wird das internationale Finanz- und Wirtschaftssystem nicht nur von Spezialisten der Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik als Politikfeld für eine globale Neuorganisation intensiv diskutiert. Insbesondere die Erfahrungen der asiatischen Finanzkrisen 1997/98 mit ihren massiven negativen Folgen für die direkt betroffenen Volkswirtschaften (z.B. hinsichtlich Wachstum und Beschäftigung) und die Staaten, aus denen die höchsten Investitionen in sie geflossen waren, haben zu einer ganzen Reihe von Forderungen geführt, die in der politischen Diskussion oftmals die Form eines Rufes nach neuer Regulierung der internationalen Märkte annehmen.
Gemäß den Vertretern einer neuen Global Governance hat sich die Notwendigkeit einer "Weltordnungspolitik (...) in dem Ausmaß vervielfacht, in dem die Welt kleiner geworden ist und Verbindungen zwischen ihren Teilen sich vermehrt haben" (Ramphal, 1998: 3). Nachdem gerade die Sphäre der internationalen Wirtschaft ein wesentlicher, wenn nicht sogar der zentrale Bestandteil der damit angesprochenen Globalisierung darstellt (Rotte, 2002: 8ff.), ist sie damit ein Kernthema des Global Governance-Ansatzes. Unabhängig davon jedoch, welche Ursachen der internationalen Finanzkrisen und der wirtschaftlichen Probleme gerade auch der Entwicklungsländer diagnostiziert und welche daraus resultierenden Heilmittel gefordert werden, stellt sich in der Diskussion die Frage, wie etwaige grundsätzliche Reformen der globalen Wirtschafts- und Finanzarchitektur durch- und umgesetzt werden sollen bzw. welche Akteure die Stabilität des bestehenden oder eines erneuerten Systems gewährleisten sollen.
Angesichts des vielfach konzedierten Versagens des Internationalen Währungsfonds in den Asien- und Lateinamerikakrisen der neunziger Jahre und der durchaus massiven und gut koordinierten Intervention der sieben größten Industriestaaten liegt der Gedanke nahe, eine globale wirtschafts- und finanzpolitische Ordnungsfunktion könnte von der Gruppe der 7 (G7) ausgeübt werden. Schließlich handelt es sich dabei um die mit Abstand wirtschaftlich leistungsfähigsten Volkswirtschaften der Welt, die neben Kanada nicht nur den nach dem Ende des Kalten Krieges dominierenden Akteur, die USA, und die vier größten Staaten der Europäischen Union (Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und Italien) sowie Japan umfassen, sondern nach der graduellen Erweiterung um Russland auch vier der fünf ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates (welcher laut UN-Charta für wirtschafts- und finanzpolitische Fragen zumindest nicht unmittelbar zuständig ist). Die Volkswirtschaften der G7 zeichnen sich außerdem durch eine starkes internationales Engagement in Handel und Investitionen aus und sind entsprechend daran interessiert, exogene Schocks wie Finanzkrisen zukünftig zu vermeiden, etwa vor dem Hintergrund ihrer schwierigen Arbeitsmarktsituation. Im folgenden wird daher aus der Sicht der Internationalen Politischen Ökonomie (IPÖ) untersucht, inwieweit die G7 tatsächlich die strukturellen Voraussetzungen dafür erfüllen, eine umfassende Ordnungsrolle im internationalen Wirtschafts- und Finanzsystem bis hin zur Vorstellung einer Art "Weltwirtschafts- und -finanzdirektorium" einzunehmen. Die Frage lautet also nicht, wie eine neue globale Finanz- und Wirtschaftsordnung aussehen soll, worüber es zwar keinen wissenschaftlichen oder politischen Grundkonsens, aber immerhin eine sehr große Zahl von Überlegungen und Vorschlägen gibt, sondern ob eine wie auch immer geartete grundsätzliche Reform der Weltwirtschaftsarchitektur von den führenden Industriestaaten überhaupt durchgesetzt und aufrechterhalten werden kann.
Der Blickwinkel der IPÖ
Politische Ökonomie wird hier definiert als "interaction of the market and powerful actors. Both components are necessary, and one cannot comprehend how either domestic or international economies function unless he or she understands how markets work and how states and other actors attempt to manipulate markets to their own advantage" (Gilpin, 2001: 45). Die Besonderheit des Ansatzes der IPÖ ist dabei, dass, etwa im Unterschied zu einer Reihe globalisierungstheoretischer volkswirtschaftlicher oder staatszentrierter politikwissenschaftlicher Perspektiven versucht wird, einerseits die Eigendynamik wirtschafts- und insbesondere finanzpolitischer Strukturen im internationalen System anzuerkennen, andererseits jedoch die weiterhin besondere Rolle der Staaten und damit genuin politischer Faktoren in diesem System zu berücksichtigen. Aus der Sicht der IPÖ ist die (nationale wie globale) Wirtschaft daher "a sociopolitical system composed of powerful economic actors or institutions such as giant firms, powerful labor unions, and large agribusinesses that are competing with one another to formulate government policies on taxes, tariffs, and other matters in ways that advance their own interests. And the most important of these powerful actors are national governments. In this interpretation, there are many social, political, or economic actors whose behavior has a powerful impact on the nature and functioning of markets. This conception of the economy as an identifiable social and political structure composed by powerful actors is held by many citizens and by most social scientists other than professional economists" (Gilpin, 2001: 38).
Der Aspekt der Hegemonie
Von herausragender Bedeutung für die IPÖ - und hier zeigt sich ihre Zuordnung zum interdisziplinär verstandenen Feld der Internationalen Beziehungen - ist die Frage nach den Bedingungen hegemonialer Macht in der Welt. Es ist offensichtlich, dass erst die Existenz einer Hegemonialmacht die Gewährleistung für die globale Durchsetzung einer (hier: ökonomischen) Ordnungsvorstellung bietet, wenn bestehende internationale Institutionen wie IWF und Weltbank dazu allein nicht in der Lage bzw. die sie tragenden Staaten nicht willens oder fähig sind, eine solche Ordnung konsensual zu entwickeln und zu sichern. Genau dies wird bei der Vorstellung eines Weltwirtschaftsdirektoriums in Form der G7 unterstellt. Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen, z.B. mit der Diskussion um die Neue Weltwirtschaftsordnung (NWWO) in den siebziger Jahren, erscheint eine solche Annahme zumindest begründbar. Ein zusätzlicher Aspekt ist ferner der mögliche Zusammenhang zwischen existierendem Machtpotential und dem Anreiz, es zu nutzen, um im eigenen Interesse zur Stabilisierung dieser Machtposition (und damit des internationalen Systems insgesamt) die internationale Umwelt nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Dies ist die Grundidee der (neorealistisch geprägten) Theorie der hegemonialen Stabilisierung, die beispielsweise auf die Beziehungen der Vereinigten Staaten zur europäischen Integration nach 1945 angewandt worden ist (z.B. Schwarz, 1996). Im Unterschied zu einem letztlich malevolenten Hegemonialverhalten, das sich ausschließlich am unmittelbaren eigenen Vorteil orientiert und das internationale System entsprechend durch unilaterale Druckausübung und zu Lasten anderer Akteure organisieren will, hat eine ausreichend starke Führungsmacht möglicherweise auch einen Anreiz, selbst öffentliche Güter (also auch zugunsten anderer Akteure) bereitzustellen und eine benevolente Führungsrolle bei der internationalen (multilateralen wie institutionalisierten) Wirtschaftskooperation zu spielen (Pahre, 1998). Hier führt eine machtpolitische Hegemonialposition also zu Bildung und Intensivierung internationaler Regimes und Institutionen, die im Sinne des liberalen Institutionalismus ein politisches Eigenleben entwickeln und über technisch-prozeduale und normative Rückkoppelungen das Verhalten und die Handlungsoptionen der beteiligten Akteure (Staaten) einschließlich des Hegemons einhegen und kooperativ regulieren können.
Damit ist eine Eigenheit des Machtbegriffes angesprochen, der u.a. von Susan Strange in die IPÖ und die Internationalen Beziehungen eingeführt worden ist (Strange, 1989). Im Unterschied zum traditionellen Begriff einer als "relational" bezeichneten Macht, der in Anlehnung an Max Webers Definition die Fähigkeit meint, einen anderen Akteur dazu zu bringen, etwas zu tun, was er ansonsten nicht getan hätte, also letztlich ihn zum Handeln gegen seinen Willen zu zwingen, bezeichnet der "strukturelle" Machtbegriff der IPÖ "the ability of state A, through its domestic as well as foreign policies, to govern or influence the context or environment within which B also has to take domestic and foreign policy-making decisions" (Strange, 1984: 191). Während relationale Macht damit also auf der Möglichkeit der direkten Druckausübung mittels militärischer und ökonomischer Überlegenheit beruht, basiert strukturelle Macht auf einer subtileren und indirekt wirkenden Dominanz des Hegemons im internationalen System. Strange (1989) unterscheidet dabei vier Quellen struktureller Macht: Kontrolle über Sicherheit (aufgrund seiner militärstrategischen Komponenten am ehesten mit dem traditionellen Machtbegriff vereinbar), Kontrolle über Produktion (Wirtschaftsstrukturen, Produktionsfaktoren und -techniken etc.), Kontrolle über Kredit (Finanzressourcen) und Kontrolle über Wissen, Glauben und Ideen (kulturell-wissenschaftliche Dominanz).
Die Idee der institutionalisierten Gruppenhegemonie
Dass die Frage nach den Möglichkeiten internationaler Hegemonie und damit strukturell begründeter Ordnungsmacht keineswegs trivial ist, zeigt sich neben der Diskussion um die Position der Vereinigten Staaten im internationalen System seit den siebziger Jahren, die nach dem Kalten Krieg einen neuen Aufschwung erfahren hat, vor allem auch in der gegenwärtigen Debatte in der IPÖ, inwieweit mangels einer völlig autonomen dominierenden Weltmacht eine Gruppe von Führungsstaaten eine solche Rolle zur Schaffung einer "neuen Weltordnung" einnehmen könnte (Volgy/Imwalle/Schwarz, 1999; Volgy/Bailin, 2002). Nicht zuletzt mit Blick auf die ökonomische Dominanz der G7 haben Bailin (2001) und Volgy/Bailin (2002) den Begriff der "institutionalisierten Gruppenhegemonie" eingeführt, der Aspekte der neorealistischen Theorie und des liberalen Institutionalismus unter dem Vorzeichen einer dauerhaften Kooperationsstruktur benevolenter Hegemonialmächte im internationalen System zusammenführen will: "The model defines the hegemon as a global stabilizer. The hegemon extinguishes major international economic fires to maintain liberal economic order. Stability is a public good. The hegemon possesses the necessary power capabilities and global interests to mitigate global crises or supply the public good. If global power is concentrated in the hands of a few countires, then they must collectively provide the good or behave as a group economic stabilizer since no one country has an incentive to unilaterally act. The group of powerful countries uses its overwhelming resources to support institutions, such as the IMF, World Bank or WTO. These multilateral arrangements oversee the everyday management of the world economy, but they do not have the necessary resources and flexibility to address global economic crises. This involves great power cooperation through a different type of institutional arrangement" (Bailin, 2001: 8).
Für die Funktionsfähigkeit einer solchen Gruppenhegemonie werden sechs zentrale Voraussetzungen und Wirkungsmechanismen identifiziert:
Wie ist es unter diesen Vorzeichen um die Machtstellung der G7 im internationalen System bestellt? Bailin (2001) kommt zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Vereinigten Staaten an den ökonomischen Machtressourcen (BIP, Währungsreserven, Welthandel, Direktinvestitionen) der (industrialisierten) Welt zwischen 1950 und 1998 von ca. 40 auf etwa 20 Prozent zurückgegangen sei, während die G7-Staaten zusammen weitgehend konstant 80 Prozent dieser Ressourcen auf sich vereinigen. Obwohl zum Beispiel der Anteil der G7-Staaten am Welt-BIP im gleichen Zeitraum von etwa 60 auf gut 40 Prozent abgenommen hat, stellt zumindest die G7 noch immer die global herausragende Konzentration wirtschaftlicher Macht dar, in der abnehmende US-amerikanische Anteile durch ein entsprechendes Wachstum des Potentials der übrigen Staaten, allen voran Japans, aufgefangen worden sind. Die damit bereits angedeutete notwendige Differenzierung zwischen relationaler und struktureller Macht gerade bei der Beurteilung der Weltmachtposition der Vereinigten Staaten wird von Volgy/Imwalle/Schwarz (1999), Volgy/Imwalle (2000) und Volgy/Bailin (2002) unterstrichen: Während die USA im Bereich der militärisch und allgemein wirtschaftlichen Machtposition noch immer eine klare globale Dominanz aufweisen und ihr Anteil an den relationalen Machtressourcen im Vergleich zu den anderen G7-Staaten nach einer Abnahme von über 50 Prozent Mitte der fünfziger Jahre auf knapp 40 Prozent Mitte der siebziger Jahre seit Beginn der neunziger Jahre wieder deutlich zunimmt, kommen sie zu dem Schluss, dass die strukturelle Machtposition der USA trendmäßig permanent gesunken ist und heute deutlich niedriger liegt als in den fünfziger oder sechziger Jahren. Angesichts dieser Entwicklungen wird deutlich, dass die USA trotz einer nach wie vor und auf absehbare Zeit nicht in Frage zu stellenden, in erster Linie militärisch determinierten relationalen Dominanz zur Gestaltung der internationalen Wirtschafts- und Finanzbeziehungen, in denen strukturelle Machtaspekte eine größere Rolle spielen, auf die Kooperation innerhalb der G7 angewiesen bleiben. Unilaterales US-amerikanisches Verhalten in diesem Politikfeld ist unter diesen Vorzeichen, etwa im Unterschied zur klassischen Sicherheitspolitik, wenig aussichtsreich.
Die relationale Macht der G7
Zur Illustration und Prüfung dieser Ergebnisse wird hier ein eigener empirischer Indikator für die relationale Machtposition der G7 und der USA seit Mitte der achtziger Jahre, und zwar im Weltmaßstab, verwendet (Tabelle 1). Die Zusammenfassung traditioneller Machtfaktoren wie demographische Position, BIP, Militärausgaben und Militärstärke, ergibt für die G7 im Zeitraum zwischen 1987 und 1993 einen Zuwachs von 31,8 auf 36,8 Prozent der globalen relationalen Machtressourcen sowie einen langsamen Abbau dieser Machtkonzentration auf unter 35 Prozent bis zum Jahr 1999. Völlig analog dazu verläuft die Entwicklung der Macht der Vereinigten Staaten, die durchgängig etwa die Hälfte zum Machtindex der G7 beisteuern. Angesichts der Nichtberücksichtigung der technologiebasierten qualitativen Überlegenheit des US-amerikanischen Militärs gegenüber allen anderen Streitkräften sowie des massiven Ausbaus der Rüstungsanstrengungen unter George W. Bush nach dem 11. September 2001 wird die relationale Machtposition der G7 insgesamt und der Anteil der USA in diesen Zahlen wohl eher unterschätzt.
Eine deutlichere Illustration der relationalen Hegemonie der USA und der G7 im internationalen System ergibt sich durch die Betrachtung der Nuklearbewaffnung als traditionellem Attribut einer Großmacht seit 1945 sowie der maritimen Projekionsfähigkeit konventioneller militärischer Macht (Tabelle 2). Hier zeigt sich am (wiederum Qualitätsaspekte vernachlässigenden) Verhältnis von 25:6 bei den verfügbaren Flugzeugträgern und AAS ganz klar die militärische Dominanz der USA und der G7 bei den Seestreitkräften, die für eine länger andauernde militärische Intervention in der Welt unverzichtbar sind. Bei den Nuklearwaffen spielt neben bedeutenden Regionalmächten wie der Volksrepublik China, Israel und Indien natürlich vor allem Russland die zentrale Rolle, welches jedoch bereits 2006 als Vollmitglied zur G7/G8 stoßen soll.
Die strukturelle Macht der G7
Betrachtet man analog zur relationalen Macht einen Index für die strukturelle Machtposition der G7, in den neben wirtschaftlichen und finanziellen Größen (Weltwarenhandel, Weltdienstleistungshandel, Direktinvestionen) durch die Einbeziehung der Patentanmeldungen auch die Innovationskraft (Kontrolle über Wissen) und die Attraktivität eines Staates als Absatz- und Investitionsstandort eingehen, so sind zwei Ergebnisse von zentraler Bedeutung (Tabelle 3). Erstens sinkt der Anteil der G7 an der globalen strukturellen Macht in der Periode zwischen 1987 und 2001 zwar trendmäßig deutlich; zusammen stellen die sieben größten Industriestaaten jedoch noch immer über fünfzig Prozent der entsprechenden Ressourcen und dominieren die internationale Ökonomie damit noch stärker als etwa Bailin (2001) oder Volgy/Bailin (2002) behaupten. Zweitens ist der Beitrag der Vereinigten Staaten zwar tatsächlich deutlich geringer als im Fall der relationalen Macht (rund 30 Prozent); er scheint seit dem Ende des Kalten Krieges jedoch tendenziell eher zu steigen, zumindest aber nicht weiter zu sinken, was auf die strukturellen Schwächen der japanischen und europäischen Volkswirtschaften zurückzuführen sein dürfte, die in den neunziger Jahren zutage getreten sind.
Der Aspekt der strukturellen Machtposition der G7 im Hinblick auf die "Kontrolle von Wissen und Ideen" lässt sich wiederum gesondert illustrieren, indem man die Zahl der ausländischen Studierenden betrachtet, die an einer Hochschule in einem G7-Land ausgebildet werden und damit nicht zuletzt zu einem gewissen Grad von Kulturtechniken i.w.S. und Weltperzeptionen der führenden Industrieländer geprägt werden. Tabelle 4 verdeutlicht, dass allein die USA und das Vereinigte Königreich weit mehr ausländische Studierende attrahieren als die zehn in der Attraktivität für ein Auslandsstudium folgenden Länder zusammen. Mit Ausnahme Australiens sind die sechs wichtigsten Empfängerländer von ausländischen Studenten alle Mitglied der G7, wobei hinzukommt, dass die ersten drei (USA, Vereinigtes Königreich und Deutschland) zugleich die größte Streuung der Herkunftsländer aufweisen, d.h. besondere überregionale bis globale Attraktivität für Studierende besitzen. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass die elf führenden Empfängerstaaten allesamt demokratische Industrieländer sind, also zumindest durch eine enge wirtschaftliche und politische Verflechtung mit den G7 (z.B. in EU oder OECD) zumindest keine weltanschaulichen Fundamentalopponenten der G7 sein dürften, erweist sich die strukturelle Dominanz der G7 und mit ihr des "Westens" praktisch als erdrückend. Dies ist ein Aspekt, der im übrigen in abgeschwächter Form auch für den Aspekt der relationalen Macht (insbesondere über die NATO) gilt.
Die Position der G7 in den IFIs
Der empirische Befund hinsichtlich der relationalen und insbesondere der strukturellen Machtposition der G7-Staaten deutet also darauf hin, dass die G7 von ihrem Potential her tatsächlich eine globale Hegemonialposition innehaben. Diese Position wird noch deutlicher, wenn man den formal festgeschriebenen Einfluss der G7-Staaten in den internationalen Finanzinstitutionen (IFIs) in die Betrachtung einbezieht. So besitzen die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Kanada nicht nur 985.470 der gegenwärtig 2.173.313 Stimmen (48,09 Prozent, davon 17,10 Prozent der USA) im Rahmen des Internationalen Währungsfonds, sind also unter Einbeziehung kleinerer Industriestaaten (etwa der EU) regelmäßig in der Lage, Mehrheitsbeschlüsse in dessen Gremien zu realisieren. Sie besitzen ferner quasi automatisch (z.B. über die USA, die vier EU-Staaten in der G7 mit zusammen 19,16 Prozent oder eine gemeinsame Position Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens mit 15,9 Prozent) eine Sperrminorität gegenüber strukturellen Änderungen des IWF, die mit 85 Prozent der Stimmen beschlossen werden müssen, und stellen diejenigen fünf der zwanzig Mitglieder des Executive Board des IWF, die jeweils ausschließlich von den fünf Staaten mit den höchsten Quoten bzw. Einlagen (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien) und nicht wie die übrigen fünfzehn durch Wahlkartelle verschiedener regionaler Staatenallianzen bestimmt werden. Es ist offensichtlich, dass das Gewicht dieser fünf Mitglieder im Executive Board nicht nur aufgrund der durch sie vertretenen Stimmenzahl besonders hoch ist, sondern darüber hinaus durch ihre Möglichkeit, sich voll und ganz auf die Durchsetzung nationaler Interessen ohne Notwendigkeit der zusätzlichen Abstimmung mit den sie tragenden Einzelregierungen weiter gestärkt wird. Dies lässt auch die Realisierung gut vorbereiteter grundsätzlicher Reformprojekte nicht so aussichtslos erscheinen, wie die dazu notwendige Mehrheit von 85 Prozent der Stimmen vermitteln mag.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Weltbank-Gruppe. So verfügen die G7-Staaten in der International Bank for Reconstruction and Development (IBRD) über zusammen 42,96 Prozent der Stimmen (USA: 16,40), in der International Development Association (IDA) wie in der Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA) über 46,54 Prozent (USA: 16,20) und in der International Finance Corporation (IFC) sogar über 52,72 Prozent (USA: 24,12). Auch hier wird die Rolle der fünf führenden Beitragsstaaten wiederum dadurch forciert, dass sie als einzige direkt nationale Vertreter in die Boards mit 24 Exekutivdirektoren entsenden können.
Organisatorische Effizienz und Beitrag Russlands und der EU
Im Hinblick auf die globale Machtposition der G7 erscheint eine strukturelle und institutionelle Hegemonie damit zweifelsfrei gegeben. Zusätzlich unterstützt wird diese Position durch zwei Aspekte. Zum einen erscheint der seit dem ersten G7-Gipfel 1975 entwickelte Vorbereitungsmechanismus für die ansonsten eher schwach institutionalisierte Gruppe als relativ effizient. So führt das "Sherpa-System", bei dem sich hohe Beamte der Staaten auf verschiedenen Ebenen zu Informationsaustausch und Vorabstimmung treffen, aufgrund seines eher informellen Charakters zu einer informationsbezogenen und atmosphärischen Annäherung und Vertrautheit der beteiligten Akteure, welche durch die regelmäßigen Treffen der Finanzminister und Zentralbankchefs, der Außen- und Wirtschaftsminister sowie das ständige Gremium der Deputies (Staatssekretäre) ohne Schaffung eines bürokratisierten Überbaus ergänzt wird.
Trotz der Bedeutung des relativ überschaubaren Kreises der Teilnehmer und des Verzichts auf einen großen administrativen Apparat (z.B. ein ständigen Sekretariates) werden das Gewicht und die Durchsetzungsfähigkeit der G7 zweitens durch das Hinzuziehen zusätzlicher Akteure zur Konsultation ohne Stimmrecht erweitert. So nimmt seit 1977 der Präsident der Europäischen Kommission regelmäßig an den jährlichen Gipfeln der G7 teil, ebenso wie seit 1994 der Präsident Russlands (am allgemeinen politischen Teil). An den Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs ist üblicherweise außerdem der Exekutivdirektor des IWF beteiligt. Es ist offensichtlich, dass die indirekte Teilnahme der Europäischen Union als Ganzes und Russlands das Machtpotential der G7 weiter erhöht, im Fall der EU insbesondere im Hinblick auf das wirtschaftlich-strukturelle Gewicht, im Fall Russlands vor allem im Hinblick auf die relationale Machtposition der Gruppe.
Die politisch-ideologische Grundkohärenz
Während im Hinblick auf die globale Machtkonzentration und die Existenz eines effektiven Vorbereitungsmechanismus den G7 das Merkmal einer institutionalisierten Gruppenhegemonie im Sinne Bailins (2001) damit sicherlich nicht abzusprechen ist, verweist die geplante Aufnahme Russlands als Vollmitglied der G7 und damit deren endgültige Umwandlung in die G8 im Jahr 2006 auf Probleme der grundsätzlichen Kohärenz der politischen und wirtschaftlichen Systeme der Mitglieder einer solchen Hegemonialgruppe. Während man bei den bisherigen sieben Mitgliedern sicherlich von etablierten kapitalistischen Demokratien sprechen kann, die trotz aller wirtschaftspolitischer Probleme (z.B. in Japan) grundsätzlich stabile innenpolitische und ökonomische Verhältnisse aufzuweisen haben, stellt Russland in dieser Hinsicht zweifellos eine Ausnahme dar. Obwohl die Russländische Föderation seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion deutliche Fortschritte in Richtung einer zumindest formalen Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit vollzogen hat (Luchterhandt, 1998), kann es angesichts von weiter bestehenden Problemen wie z.B. einer bisweilen quasidiktatorisch auftretenden Präsidialherrschaft, faktischen Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit, der Bedeutung von Mafia-Strukturen in der Wirtschaft, gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Tschetschenien-Krieg und einer sozialen Destabilisierung durch die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm keineswegs als stabile Demokratie und Marktwirtschaft bezeichnet werden. Im Gegenteil soll eine Aufnahme Russlands in die G8 ja gerade den Weg in diese Richtung nach der ökonomischen Krise von 1998 (Herr, 2000) und vor dem Hintergrund innenpolitischer Unwägbarkeiten absichern. Auch wenn das strategische Motiv einer dauerhaften Stabilisierung und Einbindung Russlands in den "Westen" problemlos nachzuvollziehen ist, ist doch zu konstatieren, dass die Aufnahme Russlands über den gegenwärtig ohnehin privilegierten Status (etwa im Vergleich zu einer großen etablierten Demokratie wie Indien oder einer mittlerweile wirtschaftlichen Großmacht China) hinaus die ideologisch-systemische Grundkohärenz der G7-Staaten wohl beeinträchtigen, mithin als tragendes Element der Gruppenhegemonie schwächen dürfte.
Problembehandlung und Politikfelderweiterung
Die verstärkte Einbeziehung Russlands in die G7-Strukturen zeigt nicht nur, dass die größten Industriestaaten ein fundamentales Interesse an der ökonomischen Stabilisierung Russlands haben, sondern ist zugleich Ausdruck für den sich wandelnden Charakter der primären Themen, die auf Weltwirtschaftsgipfeln typischerweise behandelt werden. Neben globalen Wirtschafts- und Währungsfragen werden nämlich zunehmend (und insbesondere nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes) wirtschaftlich relevante Sonderprobleme, wie z.B. Energiepolitik, die Verschuldung der Entwicklungsländer, Umweltschutz, Bildung, die Sicherheit von Atomkraftwerken, organisiertes Verbrechen oder transnationale Migration angesprochen. Hinzu kommen insbesondere in den letzten Jahren und vor allem auch nach dem 11. September 2001 Probleme der Rüstungskontrolle und Proliferation von Massenvernichtungswaffen, der Konflikt- und Krisenprävention und des transnationalen Terrorismus, also Politikfelder, die nicht zum eigentlichen Kanon der Wirtschafts- und Finanzpolitik gehören.
Letztlich bewegt sich die G7 durch die Erweiterung der von ihr thematisierten Politikfelder auf ein Gremium zu, das sich mit allen globalen Fragen und damit mit allen Aspekten der Global Governance beschäftigt. Durch die Erweiterung der Themen vergrößern sich jedoch gleichzeitig die Gefährdungen der mittlerweile auf dem wirtschaftspolitischen Feld mehr oder weniger etablierten Gruppenidentität, insbesondere deshalb, weil auf umwelt- und sicherheitspolitischem Gebiet deutliche Unterschiede in den Grundinteressen der beteiligten Staaten zu verzeichnen sind. So seien nur die in den letzten Jahren relevanten Auseinandersetzungen zwischen den Vereinigten Staaten und den europäischen (insbesondere kontinentaleuropäischen) Mitgliedern der G7 (zusammen mit Kanada) erwähnt, die sich beispielsweise auf die Umsetzung des Kyoto-Protokolls zum Schutz der Erdatmosphäre, das weltweite Verbot von Anti-Personen-Minen oder den Internationalen Strafgerichtshof bezogen. Hinzu kommt, dass, wie anhand der empirischen Indikatoren gesehen, den USA in der Sicherheitspolitik aufgrund ihrer herausragenden relationalen Machtposition ein wesentlich größeres Gewicht gegenüber den anderen G7-Staaten zukommt als in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Dass im letztgenannten Politikfeld keine Rede von einer Intra-G7-Hegemonie der USA die Rede sein kann, lässt sich daran ermessen, dass das ökonomische Krisenmanagement der G7 bislang immer auf der Basis echter Kompromisse erfolgt ist, bei denen jeder Mitgliedsstaat einen wesentlichen Beitrag zum öffentlichen Gut "weltwirtschaftliche Stabilisierung" leisten musste. So übten die USA auf dem Gipfel in Bonn 1978 zwar durchaus deutlichen Druck auf die Bundesrepublik, Japan und Frankreich aus, durch eine expansive makroökonomische Politik mit höheren Staatsdefiziten die Nachfrage zu erhöhen und damit die Weltkonjunktur zu stützen, mussten jedoch im Gegenzug einer in den Vereinigten Staaten äußerst unpopulären Maßnahme, nämlich einer Erhöhung der Öl- und Benzinpreise zur Förderung des Energiesparens zustimmen. Eine ähnlich deutliche Lastenteilung unter den G7-Staaten zeigte sich während der Asienkrise 1997/98, als die G7 neben einem Hilfsprogramm von IWF, Weltbank und Asiatischer Entwicklungsbank im Umfang von 35 Milliarden US-Dollar beschloss, zugleich zusätzliche nationale Beiträge zur Verfügung zu stellen, die unter Berücksichtigung der besonderen regionalen Position Japans 10 Milliarden US-Dollar von Japan, 5 Milliarden von den USA, je 1,25 Milliarden von den vier europäischen G7-Ländern und 1 Milliarde von Kanada umfasste (Bailin, 2001: 22ff.).
Demgegenüber ist bei sicherheitspolitischen Fragen durchaus ein besonderes Durchsetzungs- oder zumindest Beharrungsvermögen der Vereinigten Staaten unabhängig von Kompromisslösungen festzustellen. Dies zeigte sich exemplarisch auf dem Gipfel von Kananaskis 2002, als sich die USA zwar im Vorfeld mit massiver Kritik ihrer Nahost-Politik von Seiten der europäischen Staaten und Kanadas konfrontiert sahen, die Strategie der USA nach eher geringfügigen Formelkompromissen dann jedoch praktisch unwidersprochen akzeptiert wurde. Dazu gehörte die Anerkennung einer weiterhin bestehenden grundsätzlichen Vorreiterrolle der USA bei der Lösung des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern, die skeptische Haltung gegenüber der Person Jassir Arafats zugunsten demokratischer Reformen der palästinensischen Autonomieverwaltung sowie der Verzicht auf die sofortige Einberufung einer internationalen Nahostkonferenz, auf der die Europäer zuvor noch bestanden hatten (Financial Times Deutschland, 28.6.2002). Mit der wachsenden Bedeutung von Themen jenseits von Wirtschafts- und Finanzpolitik, insbesondere im Sicherheits- und Umweltbereich, ist damit eine Zunahme von Interessenkonflikten bzw. eine wachsenden Relevanz der besonderen relationalen Machtposition der Vereinigten Staaten auch innerhalb der G7 verbunden. Ähnlich wie die Aufnahme Russlands als Vollmitglied gefährdet damit die sukzessive Erweiterung der Agenda der G7 den Basiskonsens unter den Mitgliedsstaaten und damit die Effektivität der Gruppenhegemonie der G7.
Unterschiedliche Problemwahrnehmungen bezüglich einer neuen Weltfinanzarchitektur
Selbst im Hinblick auf die Interessenkohärenz der gegenwärtigen G7-Staaten in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik gibt es jedoch durchaus Probleme bei der Weiterentwicklung einer hegemonialen Gruppenidentität. Hierbei spielt die notwendige Unterscheidung zwischen kurzfristigem Krisenmanagement und langfristig orientierter Systemordnung eine wichtige Rolle. Während die Performance der G7 im ersten Bereich wie erwähnt durchaus respektabel erscheint, kommen durch die erhöhte Relevanz grundsätzlicher Problemperzeptionen und weltpolitischer Zielsetzungen bei der Frage nach einem fundamentalen Umbau der Weltwirtschafts- und -finanzordnung bestehende grundsätzliche Potentiale für Interessenkonflikte stärker zum Tragen.
Ein zentraler Aspekt hierbei ist sicherlich die generelle Komplexität der Ursachen internationaler Finanzkrisen, die theoretisch wie empirisch noch immer nicht abschließend geklärt sind (Dieter, 2000; Kreile, 2000; Nunnenkamp, 2000). Entsprechend gibt es eine ganze Bandbreite von zuweilen sehr widersprüchlichen Vorschlägen zur Neuorganisation des Weltfinanzsystems, die sich offensichtlich nach der zugrundegelegten Diagnose der Krisenursachen richten Hierzu gehören etwa die Idee einer allgemeinen Fixierung der Wechselkurse oder zumindest einer Begrenzung ihrer Schwankungsbreiten auf den Ausgleich von Inflationsunterschieden nach dem Muster des Bretton-Woods-Systems; eine stärker präventiv ausgerichtete Strukturpolitik von IWF und Weltbank; die Wiedereinführung von Kapital- und Devisenkontrollen; die Bekämpfung illegaler Kapitalflucht; die Verbesserung der Finanzinfrastruktur der Entwicklungs- und Schwellenländer; die Förderung des Risikobewusstseins von Finanzanlegern durch eine intensivierte Bankenaufsicht; sowie die verstärkte internationale Bereitstellung von Finanzmitteln zur Sicherung der Liquidität verhältnismäßig schwacher Zentralbanken in Krisenzeiten. Auf der anderen Seite steht dem die Forderung nach dem expliziten Ausschluß öffentlicher Hilfen als "lender of last resort" für das "bailing-out" von bankrotten Unternehmen oder Staaten etc. gegenüber, das einen größeren unternehmerischen Weitblick von Banken und Anlegern erzwingen soll. Weitere Vorschläge zielen auf eine Förderung langfristiger Kapitalflüsse ab (z.B. vermehrte Direktinvestitionen), um die Volatilität der kurzfristigen Finanzierung von Handelstransaktionen zu reduzieren, oder empfehlen ganz allgemein grundlegende marktorientierte Reformen zur Schaffung von Vertrauen in die institutionell verankerte ökonomische Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft (z.B. Radeet/Sachs, 1998; Blinder, 1999; Council on Foreign Relations, 1999; Mishkin, 1999; von Rosen, 1999; Baker, 2000; Flassbeck, 2000; Hofmann, 2000).
Von besonderem Interessen hinsichtlich der Fragestellung dieses Aufsatzes sind Aspekte, die spezifische europäische bzw. US-amerikanische Wahrnehmungen der Ursachen und Vermeidungsmöglichkeiten solcher Finanzkrisen implizieren. So spielten und spielen für das Verhalten der Vereinigten Staaten im internationalen Finanzsystem innen- und sicherheitspolitische Motivationen eine bedeutende Rolle, so z.B. bei der Verfolgung von Interessen amerikanischer Exporteure, Investoren und Finanzfirmen/Banken in Korea (Corden, 2001: 59f.). Besonders wichtig ist diese starke Orientierung an inländischen Lobbies angesichts der zentralen Rolle, die Privatbanken und Fonds z.B. auch in der Lateinamerikakrise am Ende der neunziger Jahre gespielt haben (Sangmeister 2000). Wenn das Verhalten der USA bei wirtschaftspolitischen Grundsatzfragen auch weiterhin generell kooperativ ist, ergeben sich vor diesem Hintergrund deutliche regionale und außenpolitische Präferenzen, die sich nicht zuletzt im wesentlich intensiveren Engagement der USA während der Mexiko- im Vergleich zur Indonesien-Krise gezeigt haben (Koch-Weser, 2000).
Es gibt unter den G7-Staaten einen bedeutenden Grundkanon an gemeinsamen Positionen zur Reform der IFIs, mit der zukünftige Finanzkrisen verhindert werden sollen, wie die gemeinsamen Statements der G7-Finanzminster und Zentralbankchefs seit 1998 und die Aktivitäten des Financial Stability Forum seit April 1999 zeigen, an dem neben der G7 auch der IWF, die Weltbank, die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die OECD u.a. beteiligt sind. So haben die G7-Staaten im Jahr 2000 beispielsweise grundsätzliche Reformen der Multilateralen Entwicklungsbanken sowie die Etablierung einer Financial Action Task Force initiiert, welche Staaten, die den "Missbrauch des globalen Finanzsystems" (z.B. Geldwäsche) zulassen, in Zusammenarbeit mit IWF und Weltbank die Weiterentwicklung ihrer Finanzaufsicht und -gesetzgebung ermöglichen soll (G7, 2001). Dennoch gibt es gerade zwischen Europäern und US-Amerikanern wichtige Unterschiede bezüglich der langfristigen Ausrichtung der IFIs, insbesondere des IWF. Ausdruck dieser Interessendivergenzen ist dabei nicht zuletzt die Personalpolitik, wie sich etwa im transatlantischen Streit um den Nachfolger des IWF-Exekutivdirektors Michel Camdessus im Jahr 2000 gezeigt hat.
Grundsätzlich spielt hier die strukturelle ökonomische Konkurrenz zwischen der EU und den USA, beispielsweise hinsichtlich der geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone (FTAA) oder in der Welthandelsorganisation (WTO) eine Rolle. Daneben sind es jedoch auch tradierte fundamentale Auffassungsunterschiede hinsichtlich des Verhältnisses von Markt und Staat in der Wirtschaftsordnung, die hier relevant werden. So erfreut sich die Idee der Tobin Tax zur Besteuerung von internationalen Finanztransaktionen und damit Verringerung von Arbitragegewinnen und destabilisierender Spekulation im traditionell stärker staats- und regulierungsorientierten (Kontinental-) Europa weit größerer Aufmerksamkeit als in den Vereinigten Staaten. Dass es in den USA auch wesentlich stärkere Widerstände gegen eine Stärkung von IWF und Weltbank gibt als in Europa, wurde im Bericht der sogenannten Meltzer-Kommission an den US-Kongress von 2000 deutlich. Hierin wird letztlich die Reduktion des IWF auf die Funktion eines "lender of last resort" und der Weltbank auf eine globale Entwicklungsagentur für tatsächlich globale Probleme (z.B. AIDS, Umwelt, länderübergreifende Infrastruktur) zugunsten regionaler Organisationen gefordert, da sie in ihrer bisherigen Funktion vor allen Dingen die Marktprozesse behindern würden und zugleich sehr ineffiziente Institutionen seien (Kreile, 2000). Selbst wenn sich die US-Regierung vehement gegen die Schlussfolgerungen des Berichtes wandte (U.S. Department of the Treasury, 2000), demonstriert er doch die verbreitete grundsätzliche Skepsis vornehmlich bedeutender konservativer (republikanischer) Kreise in der politische Elite der USA gegenüber denjenigen Institutionen, die nach europäischer Auffassung gerade eine zentrale Rolle in der internationalen Finanzarchitektur spielen müssen. Am deutlichsten wird diese Diskrepanz, wenn man dem Meltzer-Bericht die deutsche Position entgegenhält: Sie fordert zusammen mit den europäischen Partnern eine stärkere Betonung des umfassenden Charakters des IWF (inklusive der Vergabe auch kurz- und mittelfristiger Kredite) und der Weltbank (mit der primären Aufgabe der globalen Armutsbekämpfung) sowie eine Systematisierung und Regelbindung von Krisenmaßnahmen. Gerade hinsichtlich des letzten Punktes ergeben sich auch prinzipielle Differenzen mit der US-Regierung, nachdem diese typischerweise Entscheidungen von Fall zu Fall präferiert, um sich damit den eigenen Gestaltungsspielraum bei unterschiedlichen außen- (und innen-) politische Interessenlagen zu bewahren (Kreile, 2000).
Innenpolitische Stabilität als Voraussetzung von Global Governance
Volgy/Imwalle/Schwarz (1999), Volgy/Imwalle (2000) und Volgy/Bailin (2002) weisen bei ihrer Einschätzung der Hegemonialposition der USA bzw. der führenden westlichen Industrieländer darauf hin, dass zur Erfüllung einer solchen Position nicht nur ein entsprechendes Ausmaß an relationaler und/oder struktureller Macht gehört, sondern auch der Wille, diese Macht wirklich zur Gestaltung der internationalen Umwelt einzusetzen. Wie bereits verschiedentlich, z.B. im Fall der Europäischen Währungsunion (Rotte, 1998) gezeigt wurde, wird die innenpolitische Position von Regierungen bei der Implementierung unpopulärer Maßnahmen nicht zuletzt durch den Verweis auf internationale Verpflichtungen durchaus erleichtert. Dennoch ist es demokratisch gewählten Regierungen weder möglich, dauerhaft am Wählerwillen vorbei zu handeln, noch wirklich bedeutenden Reformmaßnahmen auf internationaler Ebene zuzustimmen, wenn die politische Aufmerksamkeit durch interne Krisen und Unzufriedenheit gefesselt wird.
In bezug auf eine Gruppenhegemonie der G7 impliziert dies zwei Fragen: Erstens, sind die demokratischen Regierungen hinsichtlich der Reichweite ihrer außenpolitischen Handlungsfreiheit und damit der Umsetzung von gemeinsamen Beschlüssen der G7 gefestigt genug, um tatsächlich eine aktive weltpolitische oder weltwirtschaftliche Rolle zu spielen? Sind die beteiligten Staaten mit anderen Worten innenpolitisch stabil genug, dass sie sich dem Aufbau neuer internationaler Strukturen widmen können anstatt sich um für die Wähler typischerweise drängenderen Probleme interner Art kümmern zu müssen? Zweitens, sind die Regierungen vor diesem innenpolitischen Hintergrund, aber auch von ihrem grundsätzlichen Selbstverständnis als ökonomischer und/oder politischer Großmacht tatsächlich bereit, Beschlüsse der G7 auch tatsächlich umzusetzen, d.h. sind die etablierten Mechanismen von Großmachtinteraktion und Dokumentation im Sinne Bailins (2001) stark genug, die Staaten auch zur Umsetzung ihrer offiziell eingegangenen Verpflichtungen zu bewegen, d.h. wie steht es um die Compliance innerhalb der G7?
Die innere Stabilität der G7-Staaten
Zur Beantwortung der ersten Frage haben die erwähnten Autoren wiederum empirische Indizes entwickelt, in die u.a. die Größe der Regierungsmehrheit im Parlament, die Staatseinnahmen, Inflation, Kriminalität und Arbeitslosigkeit einfließen. Sie zeigen, dass die innere Stabilität und damit die innenpolitische Basis für außenpolitische Führungsanstrengungen in allen führenden Industriestaaten zwischen 1960 und Mitte/Ende der neunziger Jahre trendmäßig klar zugenommen hat, am deutlichsten in den Vereinigten Staaten und in Japan (Volgy/Bailin, 2002). Vor diesem Hintergrund untersucht der hier vorgelegte Index die innere Stabilität der G7-Staaten zwischen 1975 und 2001, indem er auf mögliche Elemente innenpolitischer Unzufriedenheit mit einer Regierung fokussiert. In den Index gehen neben dem üblichen einfachen "Misery-Index" (Arbeitslosenquote plus Inflationsrate) die Abgabenquote und Arbeitskämpfe ein. Je höher der resultierende Index ist, desto instabiler ist die innenpolitische Situation des Landes und umso geringer sollte der Handlungsspielraum der Regierung sein. Tatsächlich bestätigt sich auch bei dieser Methodik das Ergebnis von Volgy/Bailin (2002): Es zeigt sich ein starker Trend zur Zunahme der inneren Stabilität in den betrachteten Ländern, wobei es zu Beginn und in der Mitte der neunziger Jahre für die G7 insgesamt und am Ende der neunziger Jahren für die USA zu Ausschlägen von Instabilität kommt, die in erster Linie mit großen Streiks zu erklären sind (Tabelle 5). Entscheidend ist jedoch, dass sich die Basis für eine internationale Hegemonialpolitik der G7 zugunsten einer Global Governance aus innenpolitischer Warte seit Mitte der siebziger Jahre fast permanent verbessert hat.
Compliance und abweichendes Verhalten
Die Frage nach der Compliance lässt sich empirisch beispielsweise mit Hilfe der Methodik der renommierten G8-Forschungsgruppe an der Universität Toronto beantworten, welche die Bedeutung der auf den Weltwirtschaftsgipfeln behandelten Themen sowie die sach- und länderspezifische Performance anhand von Schulnoten (die hier in der deutschen Version berichtet werden) einschätzt und darüber hinaus mittels einer trinomialen Scoring-Methode (G8 Research Group, 2001) die sach- und länderspezifische Umsetzung der G7-Beschlüsse quantifiziert.
Eine wichtige Kontrolle bei der Beurteilung der Compliance ist natürlich die Frage nach der Bedeutung der behandelten Probleme, denn je schwächer eine Verpflichtung ausgeprägt ist, desto leichter wird sie sich tendenziell auch umsetzen lassen. Für diesen Aspekt bewertet die G8 Research Group (2002a) die G7-Gipfel in vier Perioden (Gastgeberzyklen) von 1975 bis 2002 mit einer Durchschnittsnote von 3+, wobei bessere Noten für die Zyklen 1975 bis 1981 (2-) und 1996-2002 (2) vergeben werden. In den Fällen, in denen die Vereinigten Staaten sowie Deutschland und Italien Gastgeber des Gipfels waren, wird die Bedeutung der erzielten Ergebnisse deutlich niedriger bewertet (Durchschnittsnote 3- bzw. 3) als in den übrigen (Durchschnittsnote 2 bis 2-). Eine generelle Tendenz bei der Wichtigkeit der von den G7 diskutierten Fragen und ihren Ergebnissen lässt sich jedoch so nicht feststellen. Die Einschätzung der Performance der verschiedenen Staaten auf den G7-Gipfeln seit 1996 (G8 Research Group, 2002b) ergibt eine Bestätigung der oben angeführten Einschätzung, dass die Weltwirtschaftsgipfel echte Kompromisse liefern, die nicht auf Kosten der Interessen einzelner Staaten gehen. Denn hier ergibt sich für alle Beteiligten (einschließlich der EU) eine Note von 2+, mit Ausnahme Russlands (2) und Italiens (2-). Allerdings zeigt sich hier (G8 Research Group, 2002c) nicht nur, dass die Behandlung von ökonomischen und finanzpolitischen Themen sowie Organisationsfragen der Global Governance (inklusive der Selbstorganisation der G7/G8), also von angestammten Politikfeldern der G7, tendenziell erfolgreicher ist (Durchschnittsnote 2+ bzw. 1-) als die anderer globaler oder transnationaler Fragen inklusive Umweltschutz und Gesundheitspolitik (Durchschnittsnote 2-) und sicherheitspolitischer Probleme (Durchschnittsnote 2). Vielmehr nimmt die Gesamtperformance bei der Problembehandlung (Durchschnittsnote 2+) im Zeitverlauf tendenziell ab (Performance des Gipfels 2001: Note 3).
Bezüglich der generellen Umsetzung von G7/G8-Commitments, deren Zahl pro Gipfel sich seit 1975 vervierfacht hat (G8 Research Group, 2002d), ergibt sich eine tendenzielle Zunahme der Compliance, wobei insbesondere die seit dem Ende der neunziger Jahre erbrachten Commitments im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik ein hohes Maß an tatsächlicher Realisierung aufweisen (Tabelle 6). Dies steht wiederum im Einklang mit der Betonung wachsenden gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger Rechenschaft bezüglich dokumentierter Verpflichtungen in wiederholten Gipfeltreffen sowie mit der Bedeutung der wirtschaftspolitischen Kompetenzen und gemeinsamen Grundorientierungen der G7. Die hohen Compliance-Werte im Bereich der internationalen Sicherheit ergeben sich in erster Linie durch die thematische Dominanz der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, die bereits seit dem Weltwirtschaftsgipfel 1999 zu beobachten ist. Eine wichtige Ausnahme im sicherheitspolitischen Grundkonsens der G7/G8 ist dabei sicherlich die Intervention der USA und Großbritanniens im Irak im März 2003, gegen die sich bekanntlich vor allem Frankreich, Rußland und Deutschland vehement wandten.
Das Muster einer generellen Zunahme der Compliance in den letzten Jahren ergibt sich auch in bezug auf die beteiligten Staaten (Tabelle 7), wobei Russland ein sehr niedriges Umsetzungsniveau aufweist. Von den Vollmitgliedern der G7 weisen Großbritannien, Kanada und die Vereinigten Staaten für die Periode von 1996 bis 2001 die deutlich höchsten (überdurchschnittlichen) Compliance-Werte auf, während Japan und Deutschland durchschnittlich, Frankreich und Italien unterdurchschnittlich aktiv bei der Umsetzung der G7-Verpflichtungen sind. Auch dies deutet zum einen darauf hin, dass die G7 in sich keine deutlichen Hegemonialeigenschaften aufweist, könnte jedoch zum anderen mit einem Durchschnittswert von 0,43 (auf einer Skala von maximal +1 bis minimal -1) wiederum Zweifel an den gruppeninternen Kontrollmechanismen der G7 nähren. Denn dieser Wert bedeutet, dass rein rechnerisch auf knapp drei weitgehend erfüllte Verpflichtungen eine völlig ignorierte kommt, und auch dies nur, sofern man die Zwischenstufe "work in progress" (Kodierung: 0) ausblendet.
Fasst man diese quantitativen und qualitativen Resultate zusammen, so kann man sagen, dass die sukzessive Ausweitung der behandelten, auch nichtökonomischen Global Governance-Probleme und der eingegangenen Commitments der G7-Staaten die globale Hegemonialposition der G7 zwar unterstreicht; zugleich wird die hegemoniestützende Gruppenidentität jedoch durch eine teilweise Aufweichung des ursprünglich in erster Linie wirtschaftspolitisch orientierten Grundkonsenses der Mitgliedsstaaten und einen offenbar nicht völlig funktionierenden Compliance-Mechanismus zumindest nicht vertieft. Hinsichtlich der sechs Merkmale einer institutionalisierten Gruppenhegemonie nach Bailin (2001) lässt sich damit festhalten, dass die G7 das Element der strukturellen Machtkonzentration zweifellos erfüllt und die innenpolitische Stabilität der bisherigen Mitgliedsstaaten einer Umsetzung dieses Potentials in Weltordnungspolitik durchaus fördert. Darüber hinaus erscheint der entwickelte flexible Vorbereitungsprozess zur gemeinsamen Entscheidungsfindung mangels Bürokratisierung und aufgrund der Einbindung von bedeutenden wirtschafts- und finanzpolitischen Akteuren wie des IWF und der EU als verhältnismäßig schlagkräftig und effizient. Vor dem Hintergrund der anstehenden Erweiterung der Gruppe um Russland als Vollmitglied, des Ausbaus der behandelten Politikfelder und der nicht völlig überzeugenden Compliance-Wirkungen können die zusätzlichen Charakteristika einer Gruppenhegemonie, nämlich die stabile, interessenbedingte Gruppenidentität, die weltanschauliche Konsistenz als kapitalistische Demokratien und die Bindungswirkung des etablierten Interaktionssystems zwischen den Großmächten, jedoch nicht als völlig erfüllt angesehen werden.
Völkerrechtsbezogene Fragen und internationales "Demokratiedefizit"
Die aus dieser Analyse resultierenden grundsätzlichen Zweifel an der mittel- bis langfristigen Fähigkeit der G7 zur Ausübung ihrer machtpolitisch durchaus angelegten Hegemonialposition im internationalen Wirtschafts- und Finanzsystem werden durch einen zusätzlichen Aspekt verstärkt, der in Bailins (2001) Kategorisierung keine Rolle spielt, jedoch in der gegenwärtigen politischen und wissenschaftlichen Diskussion eine wachsendes Gewicht besitzt: die Frage nach der Legitimität einer wirtschafts- und finanzpolitischen Ordnungsfunktion der G7. Im Unterschied zur sicherheitspolitischen Führungsrolle des Weltsicherheitsrates basieren die Ansätze einer Global Governance durch die G7 nicht auf einem völkerrechtlichen Vertrag wie der Charta der Vereinten Nationen, sondern letztlich ausschließlich auf der dominierenden Stellung der sieben größten Industriestaaten in der Weltwirtschaft, also auf ihrem Machtpotential. Die G7-Staaten haben in diesem Sinne kein Mandat zur Reorganisation der Weltfinanzarchitektur, was insbesondere von den Entwicklungsländern immer wieder bemängelt wird. So haben sich die Entwicklungs- und Schwellenländer massiv dagegen gewandt, durch eine als Diktat der G7 empfundene etwaige Beschränkung des IWF auf ein reines Kriseninterventionsinstrument "den Fonds noch stärker als bisher zur Durchsetzung von Gläubigerinteressen zu verwenden" (Dieter, 2000: 27). Nachdem umgekehrt die wirtschaftspolitischen Organisationen der Vereinten Nationen, z.B. die UNCTAD oder der Wirtschafts- und Sozialrat, aufgrund der Unvereinbarkeit der Interessen der verschiedenen in ihnen vertretenen Staaten bislang nicht in der Lage waren, einen allseits akzeptablen Entwurf einer Neugestaltung der Weltwirtschaft vorzulegen, kollidiert hier das Prinzip völkerrechtlicher Gleichheit und Selbstbestimmung mit der Notwendigkeit effektiven und effizienten Handelns im Sinne einer Global Governance. Dass die Frage nach der völkerrechtlich abgesicherten Zuständigkeit der G7 dabei durchaus von den Entscheidungsträgern der Mitgliedsstaaten wahrgenommen wird, zeigt sich beispielsweise bei der 2000 beschlossenen "Initiative zur Konfliktverhütung", mit der die G7 ausdrücklich nicht in die Kompetenzen des Sicherheitsrates eingreifen wollte (Financial Times Deutschland, 14.7.2000).
Besonders erschwert wird das grundsätzliche Problem mangelnder "demokratischer" Legitimität der G7 noch dadurch, dass im Unterschied zur Anwendung relationaler Macht (etwa durch militärischen Zwang ohne Mandat des Sicherheitsrates) strukturelle Machtausübung nicht unmittelbar die Handlungsfreiheit der übrigen Staaten im Sinne eindeutig völkerrechtswidriger Souveränitätsverletzung beeinträchtigt. Die Veränderung der fundamentalen Rahmenbedingungen nationalen wirtschafts- und finanzpolitischen Handelns ohne echte eigene Mitwirkung durch G7-Beschlüsse stellt höchstens indirekt einen völkerrechtlich problematischen Eingriff in die staatliche Souveränität und inneren Angelegenheiten insbesondere der Entwicklungsländer dar, vor allem deshalb, weil die formale Grenze zwischen souveränitätsbeschränkender Interdependenz der Staaten und ihrer durch strukturelle Dependenz bedingte Handlungsunfähigkeit praktisch-empirisch nicht eindeutig zu identifizieren ist. Das Legitimitätsproblem der G7 ist damit zumindest für den Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik weniger völkerrechtlicher als ethisch-politischer Natur und damit nicht eindeutig lösbar bzw. Ansatzpunkt für zusätzliche internationale Probleme und Konflikte.
Hinzu kommt, dass auch die seit den siebziger Jahren bestehende Zusammensetzung der G7 zumindest nicht mehr den materiellen Gegebenheiten des Weltwirtschaftssystems entspricht. So weist die Volksrepublik China mittlerweile ein höheres Bruttoinlandsprodukt auf als Kanada und Italien und steht bereits seit Mitte der neunziger Jahre an der dritten Stelle der größten Wirtschaftsmächte (nach den USA und Japan), wenn man das BIP auf der Basis von Kaufkraftparitäten anstatt von US-Dollar berechnet (Seitz, 2000: 30ff.). Es ist offensichtlich, dass außerhalb des Westens der Ruf nach einer stärkeren Beteiligung insbesondere der asiatischen Staaten außer Japan (vor allem Chinas und evtl. Indiens) an den Beschlüssen zur ökonomischen und politischen Global Governance laut und die G7 mehr und mehr als "neo-" und "kulturimperialistisches" Instrument zur Durchsetzung westlich-kapitalistischer Interessen statt als Institution zur Stabilisierung der Weltwirtschaft betrachtet wird. In diesem Sinne wäre die Gruppenhegemonie der G7 eindeutig malevolent und damit ein zusätzlicher Aspekt einer als Inkulturation aufgefassten Globalisierung des Kapitalismus mit der damit einhergehenden machtpolitischen, traditions- und wertezerstörenden sozioökonomischen "Verwestlichung", gegen die sich die nichtwestlichen Staaten und Gesellschaften ganz im Gegensatz zu einer stabilisierenden Global Governance wehren müssten (Rotte, 2002: 120ff./530ff.).
Innerwestlicher Widerstand von Globalisierungsgegnern
Ähnliche Argumentationslinien gegen die G7 und ihre hegemoniale Dominanz der Weltwirtschaftsordnung mit ihrer angeblichen Klientelpolitik für Banken und transnationale Unternehmen ergeben sich jedoch auch in den westlichen Gesellschaften selbst und werden von einer bunten Mischung unterschiedlichster politischer und gesellschaftlicher Gruppierungen getragen, die - nicht immer passend - unter dem Sammelbegriff "Globalisierungsgegner" zusammengefasst werden. Sie protestieren zunehmend massiv auch öffentlich gegen die Institutionen und Vertreter eines globalen Kapitalismus, für den auch die G7 steht (Tabelle 6). Der wachsende Einfluss dieser Nichtregierungsorganisationen zeigte sich beispielsweise in der Verhinderung des Multilateralen Investitionsabkommens (MAI) der OECD im Jahr 1998 (Grefe/Greffrath/Schumann, 2002: 10ff.), welches transnationalen Unternehmen "weitgehend freie Hand gegenüber souveränen Regierungen" bis hin zur Nichtbeachtung sozialer und ökologischer Standards sowie demokratischer Vorrechte nationaler Parlamente gewähren sollte (Altvater/Brunnengräber, 2002: 11). Den verschiedenen Strömungen des wachsenden Widerstands gegen die G7 und das durch sie repräsentierte Wirtschafts- und Finanzsystem von Intellektuellen, Gewerkschaften, Umweltschützern, Pazifisten u.a. ist der Vorwurf an die ökonomische Globalisierung gemein, dass der nunmehr weltweit agierende, menschenfeindliche, kalte und selbstzerstörerische Kapitalismus als hemmungslos gewordene Ökonomisierung aller Lebensaspekte die zentrale Ursache sozialer und psychischer Desintegration, Überforderung und Werteverlust des Individuums und wachsender Gewalt sei. Schlagwortartig produziert die Globalisierung als "Amoklauf des Geldes" damit ein "sich stetig ausdehnendes moralisches Ozonloch" (Eisenberg, 2002: 27).
Der zunehmende innerwestliche Widerstand gegen die liberale Weltwirtschaftsordnung, deren Aufrechterhaltung und Stabilisierung letztlich das Ziel einer G7-Gruppenhegemonie ist, zeigt sich exemplarisch in der Entwicklung von attac als erfolgreichster und medienwirksamster Antiglobalisierungsgruppierung. 1998 als "association pour la taxation des transactions financières pour aide aux citoyens" in Frankreich gegründet, hat sie weltweit mittlerweile ca. 80.000 Mitgliedern und weist ein breit gefächertes Programm auf, dessen ursprüngliche Basis die Idee der Tobin Tax und der traditionelle französische Widerstand gegen die angelsächsisch und marktkapitalistisch dominierte, mangelhaft sozial abgesicherte neoliberale Globalisierung ist (Attac, 1998). Beispielhaft ist die Expansion der Mitgliederzahlen von attac Deutschland (gegründet 2000) auf über das Dreißigfache seit Mitte 2001: Mitte Februar 2001 hatte die Gruppe noch ca. 300 und Ende Juli 2001 ca. 700 Mitglieder. Nach den öffentlichkeitswirksamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften beim Weltwirtschaftsgipfel in Genua im Juli 2001 stieg die Zahl der Mitglieder bis Ende Dezember 2001 rapide auf ca. 3.900, bis Anfang Juni 2002 auf ca. 6.900 und bis Mitte November 2002 auf ca. 10.200 an (Attac-Deutschland, 2002). Mittlerweile existieren international 33 Landesverbände von attac mit Schwerpunkt in Europa; kleinere Gruppen bestehen auch in anderen Industriestaaten (Australien, Québec), in Afrika (Kamerun, Elfenbeinküste, Marokko, Senegal, Tunesien) und in Lateinamerika (Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay, Uruguay) (Schäfers, 2002). Dass attac nunmehr eine durchaus ernstzunehmende politische Lobby darstellt, die von Gewerkschaften, Kirchen, Erwerbslosen- und anderen sozialen Initiativen, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sowie vornehmlich linken politischen Gruppen getragen wird (Schäfers, 2002), zeigt sich augenfällig im Ergänzungsbeschluss der französischen Nationalversammlung zum Haushaltsgesetz 2002 von Ende 2001, tatsächlich eine internationale Tobin Tax im Rahmen der Europäischen Union anzustreben, nachdem sie noch 1999 und 2000 noch von der Regierung und der Parlamentsmehrheit abgelehnt worden war (Attac-France, 2001).
Ausgangspunkt dieses Aufsatzes war die Frage, ob die G7 als Zusammenschluss der größten Industriestaaten der Welt das Potential zur Etablierung einer neuen stabileren, aber gleichwohl auf liberalen Prinzipien basierenden Weltwirtschafts- und -finanzordnung besitzen oder nicht. Methodisch wurde diese Frage anhand des Modells der institutionalisierten Gruppenhegemonie nach Bailin (2001) empirisch untersucht. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass, obwohl die strukturelle Machtkonzentration bei den G7-Staaten sowie die Effektivität des Vorbereitungs- und Interaktionsprozesses der Weltwirtschaftsgipfel durchaus die Erfordernisse einer solchen Gruppenhegemonie erfüllen, eine echte wirtschafts- und finanzpolitische Global Governance durch die G7 allein letztlich kaum Chancen auf Verwirklichung und dauerhaften Bestand haben kann. Ursachen hierfür sind insbesondere:
Die G7/G8 wird daher weiterhin eine zentrale Rolle bei der Bewältigung internationaler Finanzkrisen leisten und bedeutende Anregungen für eine Weiterentwicklung der bestehenden Finanz- und Entwicklungsinstitutionen geben können. Eine Funktion als „Weltwirtschafts- und –finanzdirektorium“ im Sinne einer konsequent organisierten und durchgesetzten Hegemonie kommt für sie jedoch nicht in Betracht. Hierfür besitzt sie weder den notwendigen Interessenkonsens noch die innere Stabilität zur konfliktären Durchsetzung fundamentaler globaler Strukturreformen. Der mögliche Ausweg, der sich unter diesen Umständen zur tatsächlichen Umsetzung solcher Reformen im Sinne einer Global Governance in der Wirtschafts- und Finanzpolitik eröffnet, ist die Beteiligung weiterer zentraler Akteure des internationalen Systems nach dem Muster der bisherigen Mitwirkung der EU-Kommission, des IWF-Exekutivdirektors und des Präsidenten Russlands, ohne den Kern der G7 durch zusätzliche Aufnahmen in den engeren Kreis weiter aufzulockern. An die Stelle einer echten Hegemonialrolle könnte damit eine durchaus lenkende, jedoch auf möglichst konsensuale Durchsetzung bedachte Leitungs- und Anregungsfunktion der G7 zur Stabilisierung der globalen Ökonomie treten.
Tatsächlich haben die G7-Staaten einen ersten gewichtigen Schritt in diese Richtung bereits unternommen, indem sie 1999 die Gruppe der 20 (G20) ins Leben gerufen haben, die als „new mechanism for informal dialogue in the framework of the Bretton Woods institutional system, to broaden the dialogue on key economic and financial policy issues among systematically significant economies and to promote cooperation to achieve stable and sustainable world growth that benefits all“ fungieren soll (G7, 1999). Die Mitglieder dieser auf der Ebene der Finanzminister und Notenbankchefs agierenden Gruppe sind neben den G7-Staaten, Russland und den sonstigen nichtstaatlichen Teilnehmern (Repräsentanten der EU-Ratspräsidentschaft, des IWF und der Weltbank) Argentinien, Australien, Brasilien, China, Indien, Indonesien, Südkorea, Mexiko, Saudi-Arabien Südafrika und die Türkei. Obwohl sich der Abstimmungsprozess unter dieser erhöhten Zahl von Akteuren mit einer größeren Bandbreite nationaler Interessen und ideologischer Ausrichtungen (z.B. im Hinblick auf den „Nord-Süd-Konflikt“) wesentlich schwieriger gestaltet als in der G7, soll die G20 dabei zwei zentrale Aufgaben als Legitimations- und Transmissionsmechanismus einer neuen Global Governance erfüllen, die sich im Geflecht von G7, IWF, Weltbank und ihren internationalen Diskussions- und Koordinierungsgruppen entwickeln soll: „(...) the G20 was born to legitimate G7 initiatives to the wider world, by securing a broader consensus for G7-generated ideas. (...) The G20 underscores the fact that the G7 does not want to leave the reform of the international financial system to the IMF or the World Bank, where developing countries have an institutionalized role“ (Kirton, 1999). Im Hinblick auf die Effektivität einer mittel- bis langfristig entstehenden wirtschafts- und finanzpolitischen Global Governance scheint es zu einer solchen Strategie des zumindest teilweisen Abbaus der Legitimitätsdefizite der G7 bei gleichzeitiger Akzeptanz zusätzlicher Ineffizienzen über die bereits innerhalb der G7 bestehenden hinaus vorerst keine Alternative zu geben, wenn eine Neuorganisation der internationalen Wirtschafts- und Finanzarchitektur die Basis für nachhaltiges Wachstum, Entwicklung und Beschäftigung bilden soll.
2. Theoretische Annäherungen
3. Das Potential der G7/G8 als "Weltwirtschaftsdirektorium"
4. Die Frage nach der Kohärenz der G7/G8
5. Innere Stabilität und Compliance
6. Das Problem der Legitimität
7. Fazit