Dr. Michel Dormal
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft an der RWTH Aachen mit dem Schwerpunkt Politische Theorie und Ideengeschichte.
Forschungsprojekt „Testimonial Lab – Exploring modes of articulation in deep societal conflict“
Fachgebiete:
- Politische Repräsentation und Formwandel der Demokratie
- Urteilskraft, Öffentliche Meinung und Meinungsforschung aus Sicht der Politischen Theorie
- Nation und Staatsbürgerschaft
- Gewalt und Terrorismus
- Allgemein das Politische Denken des 20. Jahrhunderts
- Demokratie und Verfassungsentwicklung in Luxemburg
Sprechstunde: | In der vorlesungsfreien Zeit im Sommer 2024 findet keine Sprechstunde statt! |
Kontakt
Raum: | 114 |
Telefon: | +49 (0)241 / 80–25445 |
Sekretariat: | +49 (0)241 / 80–26124 |
Email: | michel.dormal@ipw.rwth-aachen.de |
Seit April 2018: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte, Institut für politische Wissenschaft, RWTH Aachen
09/2014 bis Anfang 2018: Lehrkraft für besondere Aufgaben mit den Schwerpunkten Politische Theorie und Regierungslehre am Fach Politikwissenschaft, Universität Trier
Januar 2014: Abschluss der Promotion an den Universitäten Luxemburg und Trier (cotutelle) mit einer Arbeit zum Zusammenhang von Nationsbildung und politischer Repräsentation
9/2011 bis 8/2014: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte, Universität Trier
7/2009 bis 8/2011: Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt „Nationenbildung und Demokratie“, Universität Luxemburg
2002 bis 2008: Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und Ethnologie, Universität Trier
Aktuelle fachwissenschaftliche Veröffentlichungen
NEU: Leiblichkeit und Anerkennung im Anschluss an Merleau-Ponty: Eine Ergänzung zu Axel Honneths Ideengeschichte der Anerkennung, in: Edgar Hirschmann (Hrsg.), Körper und Anerkennung. Frankfurt 2024, S. 15-32.
Aufstieg und Fall der großen Begriffe. Narrative konzeptionellen Wandels, in: Tobias Adler-Bartels und andere (Hrsg.) Politische Grundbegriffe im 21. Jahrhundert. Nomos 2023, S. 81-100, DOI: 10.5771/9783748915591-81 (Volltext im Open Access verfügbar)
Von Gallup zu Big Data. Rekonstruktion und Neujustierung der Debatte über Meinungsforschung und Demokratie, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft (ZPol), 2021, DOI: 10.1007/s41358-021-00252-9 (Volltext im Open Access verfügbar)
Zur Welt kommen. Politische Theorie mit Maurice Merleau-Ponty, in: Zeitschrift für Politische Theorie Jg. 10, Heft 2 (Dez. 2020), S. S. 151-168, DOI: 10.3224/zpth.v10i2.01
Der Formwandel der Demokratie und die rechtspopulistische Regression, in: Yves Bizeul, und Jan Rohgalf (Hrsg.) Offene oder geschlossene Kollektividentität. Von der Entstehung einer neuen politischen Konfliktlinie. Springer VS 2019, S. 87-106.
Writing the History of Democracy as a History of Tensions, Antinomies and Indeterminacies: Pierre Rosanvallon’s Method of Conceptual History, in: Oliver Flügel-Martinsen, Franziska Martinsen, Stephen W. Sawyer, Daniel Schulz (Hrsg.) Pierre Rosanvallon’s Political Thought: Interdisciplinary Approaches, Bielefeld 2018, S. 75-98. (Volltext im Open Access verfügbar)
Die öffentliche Meinung gibt es (immer noch) nicht. Eine Kritik an Pierre Rosanvallons und John Keanes öffentlichkeitszentrierten Formwandeltheorien, in: Winfried Thaa und Christian Volk (Hrsg.) Formwandel der Demokratie. Nomos 2018, Schriftenreihe der Sektion Politische Theorie und Ideengeschichte der DVPW, Band 36
Das Politisierungsparadox. Warum der Rechtspopulismus nicht gegen Entpolitisierung und Ungleichheit hilft, in: Femina Politica, Heft 1/2018, S. 22-34 (zusammen mit Heike Mauer)
Nation und Repräsentation. Theorie, Geschichte und Gegenwart eines umstrittenen Verhältnisses. Nomos 2017, Reihe Studien zur Theorie und Empirie der Demokratie
Politische Repräsentation und vorgestellte Gemeinschaft. Der Beitrag der Demokratisierung zur Nationsbildung in Luxemburg 1789-1940. Peter Lang 2017, Reihe Études Luxembourgeoises
Wählen ohne Staatsbürgerschaft? Das Ausländerwahlrecht in der demokratietheoretischen Debatte, in: Politische Vierteljahresschrift (PVS) Heft 3/2016, S. 378-402 (ausgezeichnet mit dem Preis der Fritz Thyssen Stiftung für sozialwissenschaftliche Aufsätze 2016, 2. Preis)
Eine Phänomenologie der Ränder und Antinomien. Pierre Rosanvallons Beitrag zur Methodenfrage in der Ideengeschichte, in: Zeitschrift für Politische Theorie, Heft 1/2016, S. 17-32.
Staatsbürgerlicher Gemeinwille oder lokaler Partikularismus? Die Auseinandersetzung um den Ort der Wahl am Beispiel Luxemburgs, in: Hubertus Buchstein und Hedwig Richter (Hrsg.) Kultur und Praxis der Wahlen. Springer VS 2016, S. 337-354.
Sonstige aktuelle publizistische Beiträge (Auswahl)
Alles, was zählt? Über Statistik und Politik, veröffentlicht aus theorieblog.de, 6. Juli 2022
Wahrer und falscher Konservatismus, veröffentlicht auf Soziopolis, 29. Oktober 2020.
Zur Zukunft der Demokratie in Europa. Ein Gespräch mit Emanuel Richter, in: forum Nr. 402 (1/2020), S. 20-23
Die Kritik des Parlamentarismus nach 1919, in: Frieseisen, Claude/Moes, Régis/Polfer, Michel/Wagener, Renée (Hrsg.) #wielewatmersinn. 100 Jahre allgemeines Wahlrecht in Luxemburg, 100 ans de suffrage universel au Luxembourg. Luxemburg 2019, S. 132-147.
Heimat: Mit Adorno an der Trinkhalle, veröffentlicht auf theorieblog.de, 9. Oktober 2018.
Meinungsforschung und Demokratie. Bilanz und Interpretation einer normativen Debatte
Habilitationsprojekt von Michel Dormal
Bearbeitungszeitraum: 2018 bis 2024
Es erscheint heute normal, dass man politische Meinungen nicht nur misst, wie man Luftdruck und Temperatur abliest, sondern dass man das sogar zu solchen Fragen tun kann, von denen bislang gar nicht gewusst war, dass sie sich stellen. Meinungsforschungsdaten als Form politischen Wissens sind alltäglich präsent und werden von den Bürgerinnen und Bürgern bei jedem Blick in Zeitungen, Fernsehen oder politische Traktate mit aufgesogen. Auch politische Akteure im engeren Sinne scheinen auf immer neue Umfragedaten als Orientierungshilfe nicht verzichten zu können. Die Zahl der einschlägigen Umfragen im Vorfeld des französischen Präsidentschaftswahlkampfs etwa ist von 193 im Jahr 2002 auf 560 im Jahr 2017 hochgeschnellt.
So alltäglich Umfragen einerseits sind, geben sie aber seit jeher auch zu Unbehagen und zu kritischen Nachfragen Anlass. Prominente journalistische Beobachter haben auf pointierte Weise der Befürchtung Ausdruck gegeben, dass Meinungsforschung die Politik am Gängelband führe und sie ihrer Authentizität beraube. In Frankreich haben vor allem Pierre Bourdieu und seine Schülerinnen und Schüler eine breit rezipierte Kritik der Demoskopie inspiriert. Auch in Deutschland fehlte es nie an Vorwürfen von Seiten öffentlicher Intellektueller; bis heute mokiert man sich gerne über die „Zahlensklaven“. Etliche Politiker zollen diesem Unbehagen ihrerseits zumindest insofern Tribut, als sie ihre eigene Nutzung von Meinungsforschungsdaten öffentlich verleugnen: „I don’t need polls to tell me what to think“ behauptete George W. Bush öffentlichkeitswirksam anlässlich seiner Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2000. Regelmäßig brechen heftige Kontroversen auch immer dann auf, wenn Wahlprognosen danebenliegen – wie etwa bei der Bundestagswahl 2005, als Gerhard Schröder sich von den Demoskopen im Vorfeld zu Unrecht kleingeredet sah. Die Gründe für diese Skepsis auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, ist bei genauerem Hinsehen aber gar nicht so leicht. Es vermischen sich darin unterschiedliche Dinge: die Frustration gescheiterter Wahlkämpfer, die Eitelkeit sich nicht ausreichend beachtet fühlender Intellektueller, diffuse Entfremdungserlebnisse und mehr oder weniger vage Manipulationsvorwürfe. Dass letztere aber auch nicht immer aus der Luft gegriffen sein müssen, zeigte sich im Jahr 2021 in spektakulärer Weise, als der damalige österreichische Bundeskanzler Kurz zurücktrat, nachdem sich herausstellte, dass sein Umfeld tatsächlich manipulierte Umfragen in Auftrag gegeben.
Damit ist der Problemhorizont des Forschungsprojekts skizziert. Einerseits sind Umfragen ein alltäglicher Teil demokratischer Politik und Öffentlichkeit. Zugleich äußert sich auf vielfältige Weise ein Unbehagen an ihrer Rolle, während ihr normativer Stellenwert im Rahmen des demokratischen Lebens Gegenstand der Befragung und Kritik bleibt. Meinungsforschung war dabei aber nie bloß ein weiteres Instrument für Dinge, die im Grunde immer schon getan wurden. Sondern sie transformierte die Erfahrung und das Verständnis des politischen Tuns selbst – etwa durch neue, fluide Kategorien, entlang derer Politik die Gesellschaft ‚liest‘. Wie diese Veränderungen im Einzelnen charakterisiert und vor dem Hintergrund demokratischer Normen und Prinzipien gewürdigt werden sollen, ist die Frage, die bis heute im Mittelpunkt der Kontroversen rund um die Meinungsforschung steht. In dem Habilitationsprojekt werden die verschiedenen Antworten, die seit den 1930er Jahren in den westlichen Demokratien auf diese Frage gegeben wurden, rekonstruiert und interpretiert. Auf dieser Grundlage wird zuletzt ein eigener theoretischer Vorschlag entwickelt, wie die Rolle der Demoskopie in der Gegenwart verstanden, gestaltet, aber auch im Sinne einer „Mischverfassung der Moderne“ begrenzt werden kann.